Der weiße Riese oder die Kunst einen Ort zu erfinden | 2011–2014 | Berlin-Neukölln

Hervorgegangen aus der Werkstatt für Veränderung (2003-2010) widmete sich das Projekt einem Areal in der unmittelbaren Nachbarschaft des Carl-Weder-Parks. Umgeben von einem hohen Zaun, dem Blick entzogen und weitgehend ungenutzt hat der Ort das Flair einer romantischen Ruine im Dornröschenschlaf. Der Auftrag des Amts für Stadtplanung lautete, hier einen Kulturstandort für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Dabei war offen, was genau unter einem Kulturstandort zu verstehen ist. Dies galt es gemeinsam mit einem interdisziplinären Team von Künstlerinnen und Künstlern und den Kindern und Jugendlichen aus der Nachbarschaft herauszufinden.

Die Aufführungen, an denen bis zu vierzig Kinder und Jugendliche beteiligt waren, waren Höhepunkte in der vierjährigen Geschichte des „weißen Riesen“. Mit dem Projekt wurde die Voraussetzung geschaffen, einen Veranstaltungsort für die Nachbarschaft zu etablieren. Er verband Kultur, Kunstvermittlung und Bildung miteinander, um die großen Potentiale der Nachbarschaft zur Entfaltung zu bringen.

Originating from the Workshop for Change (2003-2010), the project was dedicated to an area in the immediate vicinity of Carl-Weder-Park. Surrounded by a high fence, hidden from view and largely unused, the site has the flair of a romantic ruin in a deep sleep. The urban planning department's brief was to develop a cultural location for children and young people here. It was open as to what exactly is meant by a cultural location. This had to be found out together with an interdisciplinary team of artists and the children and young people from the neighborhood.

The performances, which involved up to forty children and young people, were highlights in the four-year history of the "white giant". The project created the conditions for establishing a venue for the neighborhood. It combined culture and art education in order to develop the great potential of the neighborhood.

2011 Die Kunst einen Ort zu erfinden Teil 1

 

Die Kunst einen Ort zu erfinden Teil 1

Unter einem großen weißen Zeltdach gibt es viel Raum im Freien und doch im Trockenen bzw. im Schatten. Es gibt Toiletten, einen Wasseranschluss, Container und sogar einen Kiosk. Das Ensemble befindet sich auf einer plateauartigen Fläche, die über frontale Treppen und eine seitliche Rampe erreichbar ist.

Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen begann im Jahr 2011 eine experimentelle Recherche mit der Frage: Wie können wir hier einen Ort erfinden?

In der dreiwöchigen Experimentierphase im Sommer 2011 wurde ausgelotet welche Möglichkeiten unter dem weißen Dach schlummern. Es entstanden ein temporäres Café ein Videoclip, Geschichten und Ideen

The art of inventing a site, part 1

Under a large white tent roof, there is plenty of space outdoors and yet in the dry or in the shade. There are toilets, a water connection, containers and even a kiosk. The ensemble is located on a plateau-like area, which is accessible via steps at the front and a ramp at the side.

Together with children and young people, an experimental research project began in 2011 with the question: How can we invent a place here?

During the three-week experimentation phase in summer 2011, the possibilities that lie dormant under the white roof were explored. The result was a temporary café, a video clip, stories and ideas.

 

2012 Die Kunst einen Ort zu erfinden Teil 2

Die Kunst einen Ort zu erfinden Teil 2

Im Sommer 2012 ging das Projekt in die zweite Entwicklungsphase. Die Frage lautet: Wie können Kinder und Jugendliche konstruktiv an Bestimmung, Gestaltung, Programm und Einladungspolitik des neuen Kulturstandorts arbeiten?

Unter den Oberbegriffen Erfinden, Beschreiben, Bauen und Aufführen wird täglich in offenen Werkstätten poetisch oder sachlich beschreibend, gestalterisch, handwerklich, künstlerisch und konzeptuell zu dem Ort gearbeitet.

Ein Team von Künstler:innen aus Design, Landschaftsplanung, Bühnenbild, Malerei und Bildhauerei wird den andauernden Gestaltungsprozess begleiten, der den Ort an jedem Tag verändert.  Das Vorhandene und Vorgefundene ist Ausgangsmaterial. Der Zusammenhang zwischen der kommunikativen Qualität und den räumlichen Setzungen wird untersucht.

Am letzten Abend erzählt eine neue Kulisse in Kombination mit einem überraschenden Varieté und kulinarischer Begleitung dem Publikum von den entstandenen Ideen für die Zukunft des Ortes.

The art of inventing a site, part 2

In summer 2012, the project entered its second development phase. The question is: How can young people work constructively on the definition, design, program and invitation policy of the new cultural location?

Under the headings of inventing, describing, building and performing, work is carried out daily in open workshops on the poetic or factual description, design, craftsmanship, art and concept of the site.

A team of artists from the fields of design, landscape planning, stage design, painting and sculpture will accompany the ongoing design process, which will change the site every day.  The existing and found is the starting material. The connection between the communicative quality and the spatial settings will be examined.

On the last evening, a new backdrop in combination with a surprising variety show and culinary accompaniment will tell the audience about the ideas that have emerged for the future of the site.

2013 Ein Riesentheater

 

Ein Riesentheater

Ein Riesentheater

Ausgangspunkt für das Jahr 2013 bildet eine Geschichte, in der Themen zusammengebracht wurden, die Kinder im vorangegangenen Jahres in ihren Texten formuliert hatten. Während der Nachmittagsstunden wurde in verschiedenen Gewerken eine Bühnenfassung der  Textvorlage erarbeitet. Dialoge entstanden und wurden auf der noch improvisierten Bühne ausprobiert. Es gab Schaumgummi und Stoffe, Pappe und Pailletten zum Experimentieren. Die Beteiligten entwarfen Kostüme und entwickelten daraus spielerisch Figuren: eine Trockenblume, ein kleiner Riese, ein Sandkorn. In großen Gruppenaktionen entstand ein drehbares Bühnenbild, die schwarzweiße Insel, die sich während der Aufführung in ein farbenprächtiges Paradies verwandeln sollte.

Für Schauspielunterricht und Regiearbeit wurden räumliche und akustische Schutzzonen geschaffen, in denen Texte und Abläufe täglich geprobt und weiterentwickelt werden konnten.

Backstage entdeckten die Kinder viele Möglichkeiten ihren eigenen Fantasien und Ideen nachzugehen und dafür das Equipment und Material der Werkstatt zu nutzen. Der Rahmen ermöglichte kreative Erweiterungen, so entstanden nebenbei improvisierte Aufführungen über Neid, Superstars und leidenschaftliche Freundschaft.

Auch Erwachsene trafen sich gerne im Café, immer an einem bestimmten Tisch. Es waren die Mütter von beteiligten Kindern, die deren kleine Geschwister mitbrachten, es kamen auch Väter, Onkel und Tante, Freundinnen und große Schwestern zum Plaudern.

Pressestimmen:
Ingeborg Ruthe, Berliner Zeitung
Matthias Reichelt, junge Welt

Ein Riesentheater (a huge fuss)

The starting point for 2013 was a story that brought together themes that children had formulated in their texts in the previous year. During the afternoon hours, a stage version of the text was developed in various crafts. Dialogues were created and tried out on the still improvised stage. There was foam rubber and fabrics, cardboard and sequins to experiment with. The participants designed costumes and used them to playfully develop characters: a dried flower, a small giant, a grain of sand. In large group activities, a revolving stage set was created, the black and white island, which was to be transformed into a colorful paradise during the performance.

Spatial and acoustic protection zones were created for acting lessons and directing work, in which texts and sequences could be rehearsed and developed on a daily basis.

Backstage, the children discovered many opportunities to pursue their own fantasies and ideas using the workshop's equipment and materials. The setting allowed for creative expansion, resulting in improvised performances about envy, superstars and passionate friendship.

Adults also liked to meet in the café, always at a particular table. It was the mothers of the children involved who brought their little brothers and sisters along, and fathers, uncles and aunts, friends and older sisters also came to chat.

2014 GLAMOURRIESE

GLAMOURRIESE

Die Produktion im Jahr 2014 ist dem Glamour gewidmet. Im Zentrum des Areals steht eine aus Europaletten gebaute Showtreppe. Die skulpturale Setzung verändert die Raumverhältnisse radikal. Als Bühne und Kletterberg zugleich lädt sie die Besucherinnen unmittelbar zum Experimentieren mit Bewegung ein. Dadurch angeregt führen sie am Ende jeden Tages eigene Choreografien vor. Das spannungsreiche Verhältnis von Publikum und Auftretenden wird bei den abendlichen Vorführungen permanent ausgehandelt. Zuschauende werden zu Aufführenden und umgekehrt. Alle sind aufeinander angewiesen.

Das dreiköpfige Choreographen-Team unter der Leitung von Jo Parkes verknüpfte die vorhandenen Tanzstücke mit Elementen aus dem zeitgenössischen Tanz. Die beteiligten Kinder zeigen ihre durch Fernsehen und Internet inspirierten Ideen und lernen ganz andere tänzerische Bewegungen dazu. Ein weiterer Teil des entstehenden Stücks ist der Glamour-Chor: An einer Zitate-Bar haben die Akteur:innen sich je einen Text ausgesucht, den sie vortragen möchten. Die neunjährige Esma wählt ein Zitat von Karl Lagerfeld: Luxus bedeutet heutzutage oft, dass uninteressante Menschen mit einem uninteressanten Leben teure Dinge kaufen. Sie spricht den Satz laut, mit Nachdruck und doch mit Distanz. Im Kontext des Stadtteils verschärft sich die Botschaft ohne bitter zu werden.

Als Erinnerung für alle wird ein Musik- und Tanzvideo produziert. Die Bilder erzählen von einer ausgelassen-rätselhaften Party. Es ist aufregend  zu sehen, wie sich Personen, Ort und Stimmung wechselseitig verwandelt haben.

Pressestimmen:
Susanne Lenz, Berliner Zeitung

GLAMOURRIESE

The 2014 production is dedicated to glamor. At the center of the area is a show staircase built from Euro pallets. The sculptural setting radically changes the spatial relationships. As a stage and climbing mountain at the same time, it directly invites visitors to experiment with movement. Inspired by this, they perform their own choreographies at the end of each day. The tense relationship between audience and performers is constantly negotiated during the evening performances. Spectators become performers and vice versa. Everyone is dependent on each other.

The three-member team of choreographers under the direction of Jo Parkes combined the existing dance pieces with elements from contemporary dance. The children involved show their ideas inspired by television and the Internet and learn completely different dance movements. Another part of the resulting piece is the glamor choir: at a quote bar, the actors have each chosen a text that they would like to perform. Nine-year-old Esma chooses a quote from Karl Lagerfeld: "These days, luxury often means that uninteresting people with uninteresting lives buy expensive things. She says the sentence loudly, emphatically and yet with distance. In the context of the district, the message intensifies without becoming bitter.

A music and dance video is produced as a souvenir for everyone. The images tell the story of an exuberant and enigmatic party. It is exciting to see how people, place and mood have mutually transformed.